Alle 40 Tage zum Check: So werden die Bahnen der KVB gewartet
Montagmorgen, 10 Uhr, ein schwüler Tag im Juni. Carola und ich sind mit unserer Kameraausrüstung am Betriebshof Merheim angekommen. Wir lassen uns heute von Werkstattmitarbeiter Winni zeigen, wie eine Stadtbahnwartung abläuft. Das Ganze wollen wir auf Video und in unserem Blog festhalten.
Nachdem Winni uns am Empfangshäuschen begrüßt hat und wir den groben Ablauf besprochen haben, nimmt er uns mit in die heiligen Hallen. Der Betriebshof in Merheim ist eine von vier Stadtbahnwerkstätten bzw. Betriebshöfen, in denen Bahnen gewartet, repariert und in den Betriebspausen „geparkt“ werden.
Im Betriebshof Merheim werden hauptsächlich die Bahnen der Serien 5100, 5200, 4000 und 4500 abgestellt und gewartet. Ebenfalls zu Teilen werden dort die Bahnen der Serien 2100 und 2400 gewartet. Das bedeutet, dass Material und Personal vor Ort genau auf die Bedürfnisse dieser Züge abgestimmt sind, was die Wartung und Reparatur der Fahrzeuge erleichtert. So müssen zum Beispiel nicht in jedem Betriebshof alle Ersatzteile vorhanden sein, wofür mehr Platz benötigt werden würde. Die anderen Werkstätten sind dementsprechend auf andere Serien spezialisiert.
Zunächst einmal geht Winni mit uns ins Büro. Er ist seit mehr als 40 Jahren Mitarbeiter bei der KVB und kennt die diversen Stadtbahnen in- und auswendig. Am Computer zeigt er uns die Checklisten für die unterschiedlichen Wartungen. Die kürzeste Wartung ist die Basiswartung, sie findet etwa alle vier Tage statt. Neben dem Prüfen von Elektronik, Funkanlage und Fahrtlicht werden dabei auch das Scheibenwischwasser und der Sand für die Bremsen nachgefüllt. Das ist relativ fix erledigt. Die nächstgrößere Wartung dauert bereits zwischen 14 und 20 Stunden. Sie muss alle 12.500 Kilometer erfolgen, die ein Zug über die Kölner Schienen gefahren ist. Dafür müssen zwei bis drei Werkstattmitarbeiter ran. Alle 500 000 Kilometer muss ein Zug dann für längere Zeit in die Werkstatt – nämlich für 60 bis 80 Stunden. Dementsprechend werden auch mehr Komponenten einem gründlichen Check unterzogen bzw. ausgetauscht. Diese Richtlinien werden durch die Technische Aufsichtsbehörde (TAB) vorgeschrieben. Die größeren Wartungen führen die Werkstattkollegen von montags bis freitags durch. Die Basiswartung findet auch am Wochenende statt. Da es außerdem kurzfristig immer wieder zu Schäden an Fahrzeugen kommen kann, sind die KVB-Werkstätten Tag und Nacht besetzt. Die Art der Wartung hängt auch von der Stadtbahnserie ab: Ein 2400er beispielsweise wird anders gewartet als ein 5100er, weil er anders gebaut ist Da wir für unseren Besuch bei Winni ca. drei Stunden Zeit eingeplant haben und auch keine seitenlange Abhandlung verfassen möchten, beschränken wir uns heute also auf den sogenannten „kleinen Fahrzeugcheck“. Wir stellen dabei die wichtigsten Punkte einer solchen Stadtbahnwartung vor.
Am Beispiel eines 5100ers startet Winni mit dem Check der Türen. Die werden gründlich gewartet, denn gerade sie sind sehr anfällig für Störungen, da sie bis zu 1.200 Mal am Tag geöffnet und wieder geschlossen werden. Eine wichtige Komponente ist die Überprüfung des Einklemmschutzes, auch Fingerschutz genannt. Winni kontrolliert also, ob die Türen sich von allein wieder öffnen, sollte sich ein Gegenstand während des Schließvorgangs dazwischen befinden. Dies kann ein Arm, ein Bein, ein Regenschirm oder eine Hundeleine sein. Letztere wird in älteren Fahrzeugen nicht erkannt, in neueren jedoch schon. Die älteren Fahrzeuge entsprechen aber dennoch den von der TAB vorgeschriebenen Richtlinien. Auch die Trittleisten werden gecheckt. Anschließend müssen die Türen – insbesondere die Lichtschranken, die Reflektoren sowie die Rotfilterscheiben – mit Spezialtüchern gründlich gereinigt werden. Reflektor und Lichtschranke werden durch die Rotfilterscheiben und die Verkleidung zwar geschützt, weisen aber nach einer gewissen Bedienzeit dennoch teils grobe Verschmutzungen auf. Auch diese können Türstörungen verursachen. Carola packt fleißig mit an und hilft Winni beim Putzen. „Wow!“, staunen wir beide gleichzeitig, wie viel Dreck auf dem Putztuch zusammenkommt.
Als nächstes widmen Winni und Carola sich dem Wagenkasten, also dem Innenraum des Fahrzeugs. Winni überprüft, ob die Halteschlaufen fest und nicht gerissen sind, die Sitze irgendwelche Mängel aufweisen, das Licht funktioniert, alle nötigen Beschilderungen vorhanden sind, der Entwerter Uhrzeit und Datum richtig stempelt, u.v.m. Auch die Notausrüstung hinter dem Fahrerstand wird auf ihre Vollständigkeit überprüft. Dann wird der Fahrerstand selbst kontrolliert.
Dort werden die diversen Schalter, Klingel, Licht, Funk, der Sitz sowie die Kameraaufzeichnung auf ihre Funktionalität gecheckt. Nachdem sichergestellt ist, dass alles läuft bzw. einzelne verschlissene Teile ausgetauscht wurden, ist die Kupplung dran. Winni, Carola und ich verlassen das Fahrzeug. Winni drückt einen Knopf neben der Tür für die vordere Fahrerkabine, um die Kupplung auszufahren. Das dauert gut eine Minute. „Die Kinematik funktioniert also“, erklärt Winni. Nun kann die Kupplung mit all ihren Einzelteilen gewartet werden. Dazu gehört auch der Check des elektrischen Kupplungteils, das sich an der mechanischen Kupplung befindet. Dazu ruft Winni einen zweiten Kollegen, der sie aus dem Fahrerstand bedient. Über die elektrische Kupplung werden zwei einzelne Fahrzeuge zu einer Doppeltraktion gekoppelt. Wenn die elektrische Kupplung nicht funktioniert, funktioniert auch die Kommunikation der Züge nicht. So könnte es passieren, dass beispielsweise die Türen im Beiwagen nicht durch den Fahrerstand im ersten Wagen zu öffnen sind, wenn die elektrische Kupplung fehlerhaft ist. Bei Winnis Check funktioniert jedoch alles. Prima!
Für Fahrzeugteile, die während der Wartung ausgetauscht werden müssen, liegen übrigens Ersatzteile im Lager bereit. „Sollte einmal etwas nicht vorrätig sein, bestellen wir das Ersatzteil im Zentrallager“, erklärt Winni. „Dann ist es in der Regel innerhalb von 24 Stunden da.“
Weiter geht’s also mit dem Wagendach und dem Boden des Fahrzeugs – genauer gesagt werden der Stromabnehmer, die Temperieranlage sowie die Bremsen überprüft. Dazu schaltet Winni zunächst den Strom ab, anschließend klettern wir über eine Metalltreppe nach oben auf die Dacharbeitsbühne.
Am Stromabnehmer werden die sogenannten Kohleschleifleisten gecheckt, über diese kommt der Strom aus der Oberleitung in die Stadtbahn. Gibt es hier Risse, funktioniert der Transport des Stroms nicht einwandfrei und die Leisten müssen ausgetauscht werden. Dann ist die Temperieranlage dran. Auch hier muss hauptsächlich der Putzlappen geschwungen werden. Einzelne Komponenten müssen gesäubert und die Filter ausgetauscht werden – ein bisschen so wie beim Staubsauger. Auch hier sind wir überrascht, wie schnell so ein Filter dreckig wird. Wenn eine Bahn alle 12.500 Kilometer gewartet werden muss und sie durchschnittlich ca. 300 bis 400 Kilometer am Tag zurücklegt, wird sie also alle 35 bis 40 Tage dem kleinen Fahrzeugcheck unterzogen. Auf jeden Fall um ein Vielfaches häufiger als ich mein Auto zur Inspektion bringe.
Dann geht’s unter den tonnenschweren Stadtbahnwagen. Jetzt kontrollieren wir die Bremsen, dazu gehören die Schienenbremsen, die Sandfallmenge sowie die Hydrogeräte (gehören ebenfalls zur Bremsanlage) – eine spannende Sache. Carola packt wieder mit an und hält eine Plastiktüte über den Sandstrahler, das ist ein kleines Rohr direkt vor den Rädern. Der Sand, der daraus auf die Schienen fällt, wird für die Gefahrenbremsung oder bei schlechten Wetterverhältnissen auch bei einer regulären Bremsung benötigt, weil er die Reibung erhöht. Somit kommt die Bahn schneller zum Stehen als ohne Sand. Der zweite Kollege kommt Winni wieder zu Hilfe und bedient den Sandstrahler aus dem Fahrerstand. Und dann heißt es: „Sand marsch.“ Innerhalb einer Minute müssen 550 bis 1000 Gramm Sand in den Beutel laufen, dann ist alles in Ordnung. Diese Menge wird für den Bremsvorgang benötigt. Während sich der Beutel langsam füllt, staubt es ganz schön. Winni gibt Carola den Hinweis, den feinen Staub nicht direkt einzuatmen. Als wir die Sandmenge auf der Waage kontrollieren wollen, geht plötzlich ein Alarm los. Wir gucken Winni fragend an? „Brennt es irgendwo?“ frage ich. „Nein, das ist der Staubalarm. Der geht los, wenn zu viel Staub in der Luft ist.“ Denn das ist gesundheitsgefährdend. „Ich glaube, den Alarm haben wir wohl ausgelöst“, scherzt Winni und stellt den Alarm ab. Wir gehen kurz raus, bis die Luft wieder besser ist. Die Sandmenge ist zumindest ausreichend. Wenn sie beim Fahrzeug nicht ausreichend ist, werden die Tanks nachgefüllt.
Im Anschluss überprüfen wir, ob die Schienenbremsen, die ebenfalls bei einer Gefahrenbremsung extrem wichtig sind, korrekt fallen sowie die Federspeicherbremsen. Für den Check der Letzteren klettere ich mit der Kamera unter den Zug. Vorher frage ich Winni dreimal, ob mir da irgendwas passieren kann. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man daran denkt, dass gerade 40 Tonnen Stahl, Eisen, Glas usw. über einem „schweben“. Er versichert mir, dass ich mir höchstens den Kopf stoßen könnte. Das beruhigt mich einigermaßen. Dann zeigt er mir, wie er kontrolliert, ob die Bremsscheiben genug Luft zu den Bremsbacken haben. Passt. Alles gut.
Und dann sind wir fertig! Zu guter Letzt muss bei einer Testfahrt noch kontrolliert werden, ob alles korrekt gemacht wurde. Natürlich haben wir alle Checks im Schnelldurchlauf durchgeführt, damit Carola und ich nicht 14 bis 20 Stunden in der Werkstatt bleiben müssen, im Echtbetrieb werden alle Kontrollen logischerweise sehr gründlich durchgeführt.
Zu guter Letzt fragen wir Winni noch, warum trotz so häufiger und gründlicher Wartung eigentlich so oft Türschäden auftreten, denn auch wir werden das auf Facebook und Twitter regelmäßig von unseren Kunden gefragt. „Die gesamte Türelektronik und -mechanik moderner Züge ist sehr empfindlich. Insbesondere bei Vandalismus reagieren Türen sehr sensibel. Deshalb gehören zu den häufigsten Gründen, warum ein Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen wird, Türschäden sowie Schäden an der Bremsanlage“, erklärt Winni. Letztere, weil sie täglich großem Verschleiß ausgesetzt sind. Was die Türen angeht: So lohnt sich hier also ein Hinweis an unsere Kunden, mit den Türen unserer Fahrzeuge zukünftig vielleicht ein bisschen behutsamer umzugehen. Sie danken es Ihnen, indem sie seltener ausfallen.
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Hallo,
sehr interessanter Beitrag, vielen Dank!
Eine Frage: Wie viele Kilometer Schienennetz gibt es denn in Köln? Und wieviel Kilometer fährt so ne Bahn durchschnittlich täglich?
Grüße
S.
Das Streckennetz (zwölf Linien) ist ungefähr 200 km lang. Wie viele Kilometer eine Bahn täglich zurückgelegt, wird im Text doch erwähnt.
Die neueren Fahrzeuge „Plastikbomber“ K5000 und 4500er und auch der K4000 sind sowieso viel Störungsanfälliger als die guten alten DUEWAG Fahrzeuge.
Mal sehen, wie sich die HF6 auf lange Zeit bewären und wie billig verarbeit diese neuen Alstom Bahnen sein werden.