Bombenfund in Köln – so reagiert die KVB bei Sperrungen

Auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden noch regelmäßig Bomben im Kölner Erdreich gefunden. Im Jahr 2024 waren 31 Blindgänger unterschiedlicher Größe entdeckt worden – von den Sperrmaßnahmen während der Entschärfung ist oft auch das Streckennetz der KVB betroffen. Manchmal müssen innerhalb weniger Minuten Entscheidungen getroffen werden. Doch was tun wir genau, um den Betrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten? Und welche Herausforderungen gilt es zu meistern? Ein Überblick.
 
Die öffentliche Mitteilung mit der Überschrift „Weltkriegsbomben in Köln-Deutz gefunden“ verschickt die Stadt Köln an einem Montag um 15.02 Uhr – im Verteiler befindet sich neben den Medien auch die Leitstelle der KVB. Gleich drei Bomben sind bei Sondierungen auf der Deutzer Werft entdeckt worden, zwei von ihnen haben ein Gewicht von 20 Zentnern. Köln steht die größte Evakuierungsaktion seit Ende des Zweiten Weltkriegs bevor, mehr als 20.000 Menschen müssen ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Und nicht nur das: Die Strecken von acht Stadtbahn-Linien und sechs Buslinien führen durch die Sperrzone.

Leitstellenmitarbeiter Michael Hoffmann

Einsatzleiter Michael Hoffmann in der Leitstelle

Wichtige Frage: Dürfen die Bahnen ohne Halt durch die Sperrzone fahren?

Wenn es schnell gehen muss, darf der Einsatzleiter in der Leitstelle mit seinem Team entscheiden, ob beispielsweise Bahnlinien getrennt werden müssen und zu welchen Haltestellen Verkehrsmeister und Servicepersonal geschickt werden, um Fahrerinnen und Fahrer sowie Fahrgäste über Änderungen im Betriebsablauf zu informieren. Nach dem Bombenfund in Deutz bleiben anderthalb Tage Zeit zur Vorbereitung von Maßnahmen, um Köln so gut wie möglich mobil zu halten.

Sofort nach Eingang der Nachricht über eine geplante Evakuierung und Bombenentschärfung wird bei der KVB eine Informationskette in Gang gesetzt. Die Betriebssteuerung und das Fahrdienstmanagement werden vorab in Kenntnis gesetzt, ebenso die Fahrdienstleitung von Stadtbahn und Bus sowie die Bereiche Fahrgastservice– und sicherheit, Fahrweg und Werkstätten.
 
„Der gesamte operative Bereich erhält die Mitteilung, dann wird ein Koordinierungskreis eingerichtet, denn oft müssen Dienste angepasst werden“, erklärt Peter Ulmer, Bereichsleiter für den Betrieb Stadtbahn und Bus. Entscheidend ist beispielsweise die Frage, ob die Bahnen bis zum Beginn der Entschärfung ohne Halt durch die Sperrzone fahren dürfen. „Das hängt vom Zustand der Bombe und vom Untergrund ab, denn die Bahnen sorgen teilweise für Vibrationen im Erdreich. Wir werden immer versuchen, für unsere Fahrgäste das beste Ergebnis zu erzielen“, sagt Michael Hoffmann, Einsatzleiter in der Leitstelle.

Zum Service zählt auch eine gute Kommunikation, daher wird schon am Tag des Bombenfunds über die digitale Fahrgastinformation an den Haltestellen auf die bevorstehende Entschärfung hingewiesen. Am darauffolgenden Tag folgen eine umfangreiche Pressemitteilung zu Änderungen im Betriebsablauf, Meldungen in den sozialen Netzwerken und ein Sonder-Newsletter. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, wird auch auf den Bildschirmen in den Kundencentern und auf den Bildschirmen in den Fahrzeugen auf die Entschärfung hingewiesen.

Mit welchen Maßnahmen reagiert die KVB?

Angesichts der nie dagewesenen Dimension der Sperrung müssen die Verantwortlichen viele Aspekte im Blick haben. Müssen zum Beispiel Dienstzeiten von Fahrerinnen und Fahrern angepasst werden? Und: Können die Fahrerinnen und Fahrer trotz der Sperrungen ihre Ablösepunkte erreichen und eine Bahn übernehmen oder muss Personal aus der Reserve aktiviert werden? Folgende Entscheidungen werden in diesem Fall getroffen:

    • Fahrdienstleiter für Bus und Stadtbahn verstärken in die Leitstelle, alle Funkplätze sind besetzt, auch Fahrdienstleiter der Betriebshöfe Nord (Friedrich-Karl-Straße) Weidenpesch wechseln in die Leitstelle, um die Kommunikationswege kurz zu halten.
    • Ein Einsatzleiter aus dem Leitstellen-Team vertritt die KVB im Koordinierungsstab der Stadt Köln, der im Deutzer Stadthaus tagt.
    • Im Stadtbahn- und Busbereich wird die Reserve von Fahrerinnen und Fahrern auf mehr als 50 Mitarbeitende aufgestockt. Außerdem wird das Team der Unfallerstbetreuung auf beide Rheinseiten verteilt, um im Ernstfall sofort reagieren zu können.
    • Verkehrsmeister werden zu den Haltestellen Poststraße, Deutz Technische Hochschule, Kölnmesse, Neumarkt und Baumschulenweg geschickt, um sicherzustellen, dass die Fahrerinnen und Fahrer wissen, dass an den Haltestellen Heumarkt, Deutzer Freiheit, Bahnhof Deutz Messe, Severinstraße und Suevenstraße kein Fahrgastwechsel stattfinden darf.
    • Mitarbeitende des Fahrgastservice werden zu den Haltestellen vor Beginn der Sperrzone geschickt, um Fahrgäste zu informieren.
    • In den betroffenen Stadtbahnlinien 1, 3, 4, 5, 7, 9, 14 und 17 werden regelmäßige Durchsagen über die Änderungen im Betriebsablauf veranlasst.
    • Dies gilt auch für die Buslinien 106, 132, 133, 150, 153, und 171, deren Streckenführung geändert werden muss. Die Linie 196 fährt ab 8 Uhr am Morgen nicht mehr.
    • Auf den digitalen Fahrgastinformationen werden je nach Haltestelle die Hinweise „Hier kein Fahrgastwechsel“ oder „Hier kein Bahnverkehr“ eingeblendet.
    • Die Fahrschule wird angewiesen, keine Übungsfahrten durchzuführen.

Klare Anweisungen aus der Leitstelle

Auf der 21 Meter breiten Multimediawand in der Leitstelle ist das gesamte Stadtbahn-Netz in leuchtenden Streifen dargestellt, der Standort jeder Bahn lässt sich hier verfolgen. Einsatzleiter Michael Hoffmann ruft mit lauter Stimme Anweisungen durch den Raum, kaum hat er den Hörer aufgelegt, klingelt sein Telefon erneut. „Wir brauchen keine vier Bahnen in Zündorf, zwei reichen“, weist Hoffmann nach einem Blick auf die Videowand an. Er achtet auch in Ausnahmesituationen stets auf eine kundenfreundliche Taktung der Stadtbahnen. Der Stress scheint an ihm abzuprallen, seine Anweisungen sind klar und deutlich.
In der Leitstelle sind an diesem Tag alle drei „Stellwerksplätze“ besetzt. Von hier aus können Signale geschaltet werden, die automatisch das Anhalten befehlen, wenn eine Stadtbahn in eine Haltestelle einfährt – eine Sicherheitsmaßnahme. Nun werden die Signale beispielsweise an der Haltestelle „Bahnhof Deutz Messe“ umgestellt.

Polizei sperrt die Verkehrsverbindungen

Freie Fahrt: Stadtbahnen dürfen ins Sperrgebiet fahren,
der Autoverkehr wird von der Polizei abgeleitet

„In Situationen wie diesen wollen wir verhindern, dass Fahrgäste den Notschalter zur Öffnung der Türen bedienen und dann im Sperrgebiet aussteigen. Das wäre fatal. Deshalb ist es unser Bestreben, die Bahnen ohne Halt durchfahren zu lassen“, erklärt Hoffmann. Zwischenfälle gibt es an diesem Tag nicht.

Doch auch den Autoverkehr haben Hoffmann und sein Team an solch einem Tag im Blick. Weil die getrennte Linie 7 im Rechtsrheinischen nur zwischen Zündorf und der Haltestelle Baumschulenweg pendelt, lässt die Leitstelle die Schrankenanlage am Baumschulenweg abschalten.
 
 
„Ansonsten ginge bei jeder Wendefahrt die Schranke runter, obwohl die Bahn gar nicht die Straße überquert“, erklärt Hoffmann. So kann der Autoverkehr an dieser Stelle ungehindert fließen.

Verkehrsmeister im Gespräch mit dem Fahpersonal

Türen bitte nicht öffnen: Verkehrsmeister weisen den Fahrer
darauf hin, dass kein Fahrgastwechsel stattfinden soll

Verkehrsmeister erinnern an geänderte Abläufe

Am Neumarkt wartet derweil ein Verkehrsmeister mit roter Warnweste am Haltepunkt auf einfahrende Stadtbahnen. Die Fahrerin einer Bahn der Linie 9 öffnet das Seitenfenster und sagt: „Nächster Halt ist‚ Deutz Technische Hochschule, ich weiß Bescheid.“ Der Verkehrsmeister nickt anerkennend, denn eigentlich ist das sein Satz, mit dem er die Bahnen an der Polizeiabsperrung auf der Cäcilienstraße vorbei durchs Sperrgebiert schickt.
 
 
 

Servicemitarbeiter

Servicepersonal informiert die Fahrgäste
und Busfahrende am Breslauer Platz

Einige Passanten sind überrascht von den Sperrungen

Obwohl es in der Stadt seit zwei Tagen scheinbar kaum ein anderes Thema als die umfangreiche Evakuierungsmaßnahme gibt, treffen die Mitarbeitenden des Service-Teams der KVB immer wieder auf überraschte Passanten. Am Breslauer Platz ist erkundigt sich eine ältere Dame nach dem schnellsten Weg zum Schokoladenmuseum, das sie mit ihren beiden Enkelkindern besuchen möchte. Die Enttäuschung ist groß, als sie von den Bombenentschärfungen hört. Am frühen Morgen lassen die beiden Service-Kräfte erstmal die Polizeiabsperrung versetzen, denn die Beamten wollen einen Bus der Linie 133 nicht am Breslauer Platz wenden lassen. Sie haben sich versehentlich an der falschen Stelle postiert – nun läuft der Busverkehr ohne Probleme.
Schon am Vortag der Entschärfungen hat die Stadt mehrere Shuttlebusse bei der KVB bestellt. Diese befördern Anwohner in die Anlaufstellen. Auch am Caritas-Altenzentrum St. Heribert am Deutzer Rheinufer halten KVB-Busse und bringen die Bewohnerinnen und Bewohner in Notunterkünfte. Als in der Vorwoche in der Nacht eine Bombe in der Südstadt entschärft wurde, hatten einige Busfahrer sogar freiwillig Überstunden geleistet, um den Betroffenen zu helfen. „In der Planung bauen wir einen Puffer ein, damit die Lenk- und Ruhezeiten auch bei unplanmäßigen Verzögerungen eingehalten werden“, erklärt Burak Sönmeztürk, Leiter des Fahrdienstmanagements für Stadtbahn und Bus. Die Ablösung erfolgte bei dieser Entschärfung dann um vier Uhr morgens.
Die Trennung der Stadtbahnlinien 1, 3, 4 und 9 tritt um 16 Uhr in Kraft, denn das Ordnungsamt kommt zunächst gut voran bei der Räumung der Sperrzone, der zweite Klingeldurchgang ist beendet.

DFI-Anzeiger

Über die digitale Anzeige werden die Fahrgäste informiert

Jetzt fahren keine Stadtbahnen mehr über die Deutzer Brücke und die Severinsbrücke – schon vorher muss das Team der Leitstelle darauf achten, dass sich auf beiden Rheinseiten die gewünschte Zahl von Stadtbahnen befindet. Dann jedoch weigert sich eine Person, ihr Haus zu verlassen, es kommt zu einer Verzögerung von etwa 80 Minuten.

Gegen 19.30 Uhr sind die Bomben dann entschärft.

Das Social Media-Team der KVB entfernt die Hinweise auf die Entschärfung aus der KVB-App, so dass auch auf den Informationskanälen wieder Normalbetrieb einkehrt.
 
Auch bei der KVB wird der Tag der Bombenentschärfung nachbereitet und besprochen. Hat alles geklappt? Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten? Einsatzleiter Michael Hoffmann ist zufrieden: „Wir haben als Team vollen Einsatz gezeigt und das Beste gegeben. Denn an solch einem Tag schaut die ganze Stadt auf uns, das wissen wir“, bilanziert Hoffmann. Ähnlich sieht es auch Burak Sönmeztürk: „Viele Fahrerinnen und Fahrer haben sich freiwillig zum Dienst gemeldet und ihre Unterstützung angeboten. Ich finde das Teamdenken faszinierend, wenn es hart auf hart kommt“, bilanziert der Leiter des Fahrdienstmanagements.

 
Fotos: Thorsten Moeck
 
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4 Kommentare

  • Helga Franzen

    Wir haben zum Glück immer so fähige Teams das immer alles so perfekt klappt ein Dankeschön an die Menschen die für uns ihr Leben aufs Spiel setzen

    • Hallo Helga,
      das finden wir auch, denn solche Situationen beanspruchen immer viele Ressourcen in unterschiedlichen Bereichen.
      Umso mehr freuen wir uns, dass alles reibungslos verlaufen ist und die Bomben erfolgreich entschärft werden konnten.
      Gruß Lisa 🙂

  • Fabian G.

    Sehr schöner Artikel. Ich habe jedoch noch Anmerkungen zur Kundeninformation an dem Tag.
    Die in dem Artikel enthaltenen Bilder zeigen es da sehr schön.

    Warum war an manchen Bahnen weiterhin ein falsches Ziel geschildert. Wie im Bild die 7 nach Zündorf. Tatsächlich fuhr sie aber ja nach Ostheim. Mit sowas sind doch Irritationen von unkundigen Fahrgästen vorprogrammiert. Zum Beispiel ein Fahrgast, der kurz vor Abfahrt am Neumarkt noch reinhuscht, somit ggf. die Durchsage über die Umleitung verpasst hat und dann erst an der TH wieder aus der Bahn rauskommt.

    Genauso die Anzeigen an den Haltestellen (wie im Bild zu erkennen). Warum werden da Bahnen nach Zündorf in 27 Minuten angezeigt, obwohl die nächsten 8 1/2 Stunden keine davon fuhr?

    Ich selbst habe mich an dem Tag nur im abgetrennten Ostast der 7 bewegt. Und dabei Fahrzeuge gesehen, die richtigerweise mit Baumschulenweg geschildert waren. Aber auch Bahnen mit der Anzeige Benzelrath. Sowas verleitet doch Fahrgäste zu denken, dass alles wieder normal läuft. Nur um dann am Baumschulenweg gesagt zu bekommen: „Endstation, wir fahren wieder nach Zündorf.“ Heißt für den Fahrgast also zurück nach Porz Markt, mit der 151/152 eine halbe Stunde nach Ostheim tuckern, um dann die 7 Richtung Innenstadt zu nehmen. Zumindest den ersten Trip nach Poll könnte man sich mit einer richtigen Beschilderung sparen.

    Generell finde ich die Endstation Baumschulenweg immer etwas ungünstig, da es von dort kein Weiterkommen gibt.
    Besteht nicht die Möglichkeit, die Salmstraße als Endstation zu nehmen? Dort gäbe es dann die Umsteigemöglichkeit zur 159 und somit nach Kalk zur 1 und 9 oder nach Mülheim sogar zum SPNV. Alles ohne extra einen SEV einrichten zu müssen oder den Umweg über Porz Markt als einzige Alternative zu haben.

    • Hallo Fabian,
      danke dir für dein positives Feedback.

      Wir können verstehen, dass das zu Verwirrungen führen kann, wenn die Ziele der Bahnen an solchen Tagen nicht immer überein stimmen.
      Tage an denen Bomben entschärft werden müssen, sind für alle Beteiligten eine Herausforderung. Um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu organisieren, ist daher nicht immer so einfach. Wir arbeiten derzeit an einem neuen Hintergrundsystem, welches uns ermöglichst auch in solchen Situationen kurzfristig die Ziele und Ansagen der Fahrzeuge besser zu kommunizieren. Da dies uns momentan noch nicht in der Form möglich ist, informieren wir immer über verschiedene Medien über den Fahrplanablauf und bitten daher auch, auf diesen zu achten.
      Der Baumschulenweg wird in diesem Fall als Endstation gewählt, da dort gewendet werden kann. Dafür ist eine entsprechende Weiche notwendig, die an der Salmstraße leider nicht vorhanden ist.
      Wir hoffen du bist an dem Tag gut durch den Verkehr gekommen.
      Gruß Lisa

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