Kleine Füße – sicherer Schulweg
Seit Jahresbeginn sind in Köln bereits 30 Kinder auf dem Schulweg verunglückt. Ein Siebenjähriger verlor im Mai sein Leben. Nach Ende der Sommerferien machen sich nun fast 110.000 Schülerinnen und Schüler wieder auf den Weg zur und von der allgemeinbildenden Schule. Darunter befinden sich mehr als 9.500 Mädchen und Jungen, die am 30. August eingeschult wurden. Fast 8.850 Kinder gehen erstmals weitere Wege zu weiterführenden Schulen. Sie alle sollen sicher auf ihrem Schulweg sein. Dafür sind wir alle gefordert – nicht nur die Kinder, Jugendlichen und ihre Eltern. Doch wo liegen die Gefahren? Wie können diese vermieden werden?
Die KVB engagiert sich zusammen mit der Stadt Köln, der Polizei Köln und der Verkehrswacht Köln im “Arbeitskreis Sicherheit im Straßenverkehr“. Auch in der Kampagne “Köln steht bei Rot!“ wirken die Organisationen zusammen. Gemeinsam rufen die Akteure zur besonderen Rücksicht gegenüber den Schülerinnen und Schülern auf. Mit der Plakatkampagne “Wir sind wieder unterwegs!“, mit dem Aushang von Tempo-Messtafeln im Umfeld verschiedener Schulen mit allgemeinen Kontrollen des Ordnungs- und Verkehrsdienstes, einer “Denk- und Dankzettel-Aktion“, einer Elternbefragung und mit der bereits traditionellen Auftaktveranstaltung “Schule hat begonnen“ wird die Rücksichtnahme gefördert.
Die Aufmerksamkeit von Kindern ist anders
Der Weg zur Schule ist vieles zugleich – ein Erlebnis-, ein Lern- und auch ein Erfahrungsweg. Während wir Erwachsenen Wege zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Bringen bzw. Holen von Kindern meist als Wege von A nach B verstehen, öffnen Schulwege den Kindern nicht selten neue Welten. Vieles findet die Aufmerksamkeit „der Kleinen“, insbesondere weil sie hier nach der Einschulung neue Freunde treffen und weil Schulwege meist die ersten Wege sind, die sie alleine laufen dürfen.
Hinzu kommt, dass sich durch die Entwicklung des menschlichen Körpers erst im Laufe der Jahre Gesichtsfeld, Bewegungseinschätzungen u. ä. vollständig herausbilden. Es darf deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass sich Kinder im Verkehr genauso aufmerksam und vernünftig verhalten wie Erwachsene. Insbesondere nach der Schule benötigen Kinder Bewegung. Meist haben sie mehrere Stunden aufmerksam und still sitzen müssen, nun wollen sie sich bewegen, herumalbern und toben.
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fasst die Situation in seiner Mobilitätsfibel kurz und knapp zusammen: „Kinder sind zu klein, um über parkende Autos hinwegsehen zu können. Sie müssen sich zwischen Autos stellen, um die Fahrbahn einzusehen. Kinder haben ein eingeschränktes Gesichtsfeld. Sie sehen Autos, die von der Seite kommen, erst später als Erwachsene. Kinder machen kleinere Schritte und brauchen viel länger als Erwachsene, um eine Straße zu überqueren. Kinder gehen bis zum siebten Lebensjahr davon aus, dass Autofahrer sie immer sehen, wenn sie selbst das Auto sehen können. Kinder können Entfernungen und die Geschwindigkeit von Autos oft nicht richtig einschätzen.“ Und: „Kinder lassen sich leicht ablenken und achten dann nicht mehr auf den Verkehr.“
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Wir müssen uns dies nur vergegenwärtigen. Erwachsene erinnern sich ja nicht an ihre Sehfähigkeiten und Aufmerksamkeit in diesen jungen Jahren.
Aus Kindeshöhe betrachtet
Dabei wird die Einsicht gefördert, wenn wir uns einmal in die Knie hocken und ein, zwei Schritt nach vorne bewegen. Diese „Übung“ steht am Anfang eines Spaziergangs einer Kindergartenleiterin zum Thema Verkehrssicherheit. Nichts macht deutlicher, in welcher Gefahr Kinder stecken, wenn Autos die Sicht verdecken. Sie können das nächste herannahende Fahrzeug nicht früh genug sehen und stehen zugleich direkt vor ihm. Und auch Autofahrer, Rad- und Motoradfahrer können die Kinder zwischen den Autos nicht sehen – es könnte das eigene Kind oder das der Nachbarn sein. Also runter mit der Geschwindigkeit und Verbotszonen beachten! Nichts ist einfacher als das, und nichts rechtfertigt den geringen Zeitgewinn in der Eile.
Eltern im Stress
Häufig sind zu hohe Geschwindigkeiten, mit denen Pkw im Umfeld der Schulen (und auch der Kindergärten) unterwegs sind, Ursache für Unfälle auf dem Schulweg. Auf ein plötzlich erscheinendes Kind können die Fahrer dann nicht mehr schnell genug reagieren. Auch ordnungswidrig abgestellte Fahrzeuge stehen am Anfang vieler Unfälle, weil die Sichtbeziehungen von Kindern und anderen Verkehrsteilnehmern verloren gehen. Die Schülerinnen und Schüler werden häufig gar nicht wahrgenommen, überqueren „plötzlich“ Straßen und Wege oder müssen Hindernisse umlaufen.
Dabei gilt in den meisten Fällen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stunden-Kilometern vor diesen Einrichtungen und auch Halteverbotszonen sind ausgewiesen. Die Ursachen sind also banal, Gefahren können mit einfachen Verhaltensänderungen ausgeschlossen werden. Der Verkehrsdienst der Stadt und die Polizei kontrollieren in den ersten Wochen nach Ferienende verstärkt an Schulen und Kindergärten. Ziel ist es, die Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer anzupassen. Kontrollen können dabei „wehtun“, weil sie Geld kosten. Sie sollen auch wirken, weil sie gesehen werden und sich herumsprechen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Gefahren werden nicht nur durch kinderlose Verkehrsteilnehmer hervorgerufen. Vielfach sind es die Eltern selber, deren Verhalten Kinder gefährdet. Morgens, auf dem Weg zur Arbeit, werden ein oder mehrere von ihnen zur Schule und zum Kindergarten gebracht. Das sogenannte “Elterntaxi“ ist in Eile, hält direkt vor der Einrichtung, um „nur mal eben“ das Kind rauzulassen – schnell um die Ecke und direkt unter das Halteverbotsschild. Die Aufmerksamkeit für das eigene Kind ist vorhanden – aber was ist mit den anderen?
Denk- und Dankzettel verteilen Kinder in Mülheim. Ihr Anliegen: Parke unseren Gehweg nicht zu.
Viertklässler der Katholischen Grundschule Langemaß in Mülheim verteilten am ersten Schultag “Denkzettel“ an Verkehrssünder und “Dankzettel“ an diejenigen, die sich vor ihrer Schule richtig verhielten. „Der Gehweg ist für Fußgänger da!“. Über die Berichterstattung der Medien verbreitet sich die Botschaft in andere Stadtteile hinein.
Vorbild sein – auf sich und andere achten
Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder. Noch bevor sie Gefahren richtig einschätzen können, kopieren sie Verhaltensweisen von Erwachsenen. Und wenn alle kreuz und quer laufen oder auf andere Weise flexibel mit Verkehrsregeln umgehen, warum dann sie nicht auch?
Deshalb ist es extrem wichtig, sich als Erwachsener sicher im Verkehr zu verhalten, andere anzusprechen, wenn sie es nicht tun und die Kinder von Gefahren aktiv zurückzuhalten. Es mutet merkwürdig an, wenn Eltern empfohlen wird, andere Eltern „anzuschwärzen“, falls diese sicherheitsgefährdend parken oder zu schnell um die Ecke biegen. Manche Schulen wissen sich nicht mehr anders zu helfen, wenn selbst die häufigeren Kontrollen der Polizei und die eindringlichen Appelle auf Elternabenden keine Wirkung mehr zeigen. Die einfache, persönliche Ansprache zwischen Eltern kann vielleicht helfen, bevor es zu einer „formalen Meldung“ kommt. Es sollte nicht erst zu einem Unfall kommen!
Hilfestellungen für den Weg zur Schule
Der Schutz vor Unfällen auf den Wegen von Kindern und Jugendlichen muss an verschiedenen Stellen ansetzen – bei den jungen Menschen selbst, bei den weiteren Verkehrsteilnehmern und an unserer gebauten Umwelt. Bei den Kindern und Jugendlichen dient alles, was sie stark für die Teilnahme am Verkehr macht, als erfolgsversprechend. Prävention ist hierbei wie ein Orgelkonzert: Es „flöten“ die Eltern, Erzieher/innen im Kindergarten, Lehrer/innen und andere.
Dabei gilt: Ein Weg folgt auf den anderen, erst die begleiteten Wege in die Grundschule, dann diese Wege selbständig ohne Eltern, dann die Wege in die weiterführenden Schulen und in der Freizeit. Wege zu Fuß, mit dem Roller, dem Fahrrad, mit Bus und Bahn. Deshalb sind Schulwege in die Grundschule auch wichtige Lernschritte. Sie geben den Kindern die Erfahrung und das Selbstvertrauen für weitere, kompliziertere Wege. Und deshalb empfehlen viele Praktiker, für die recht kurzen Wege in die Grundschule auf das „Elterntaxi“ zu verzichten. Im Auto lernen die Kinder nichts.
In den meisten Kölner Schulen wird Mobilitätserziehung groß geschrieben. Viele Schulen kooperieren hierbei mit dem „Ortspolizisten“ und der Verkehrswacht. Es gibt verschiedene Lernmodule, die spielerisch und nachhaltig die wichtigen Regeln einprägen. Wer sich Gedanken hierrüber macht, sollte sich auch mit anderen Eltern austauschen. Eine solche Ideenbörse kann das Anliegen voranbringen.
Ein Beispiel: In der Gemeinschaftsgrundschule Von-Bodelschinghstraße in Höhenhaus haben Schüler mit ihrer Schulsozialpädagogin und einer Lehrerin ein Projekt “Schulweg-Detektive“ gestaltet. Am Ende entstand eine kleine Broschüre, mit der die Menschen der Schule und des Stadtteiles unter anderem um Aufmerksamkeit gebeten werden.
Ein weiteres Beispiel: Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat, in Zusammenarbeit mit Verkehrsverbünden wie dem VRS, eine Mobilitätsfibel herausgegeben. Diese richtet sich vor allem an Eltern, beinhaltet aber auch Elemente für die Kinder.
Und noch ein Beispiel: Nennenswert sind auch die “Bus & Bahn Detektive“ des Verkehrsverbundes VRS. Sehr umfangreich vermitteln die Autoren zahlreiche Mobilitäts-Lernthemen an Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern – zielgruppenspezifisch in unterschiedlichen Abschnitten und immer mit dem Maskottchen Siggi, dem Drachen.
Solche Hilfestellungen empfehlen sich für den Einsatz zu Hause und in der Schule.
Die am Beginn des Beitrags genannten Maßnahmen in den ersten Wochen nach den Ferien richten sich vor allem an andere Verkehrsteilnehmer. Bewusstsein dafür zu schaffen, dass insbesondere Kinder anders im Verkehr agieren ist wichtig und kann nicht hoch genug geschätzt werden. Vor allem nach den Sommerferien scheint der eine oder andere sich erst wieder an die Schüler/innen gewöhnen zu müssen. Es ist wie der Kampf gegen die Windmühlen – immer wieder und niemals aufgeben.
Wenn es dennoch zu sehr vielen gefährlichen Situationen im Umfeld von Schulen kommt, dann muss über bauliche Veränderungen nachgedacht werden: Fahrbahnverengungen, Errichtung von Gittern, Pollern, Markierung von Zebrastreifen und Farbmarkierungen. Hierbei ist immer die spezifische örtliche Situation entscheidend und es lohnt, mit der Stadtverwaltung und Bezirksvertretung hierüber ins Gespräch zu kommen. Es geht um die Sicherheit noch schwacher Verkehrsteilnehmer!
Köln steht bei Rot!
Auch die Kampagne “Köln steht bei Rot!“ ist eine Daueraufgabe. Die Missachtung von Rotlichtsignalisierung und anderen Sicherheitseinrichtungen an Kreuzungen und Überwegen ist eine der häufigsten Ursachen für Verkehrsunfälle in der Großstadt. Es sind die vielen Ablenkungen und das “In-Gedanken-Sein“, die wir alle kennen. Kindern geht das nicht anders – und sie sehen zu häufig falsche Vorbilder, ohne die Gefahren richtig einschätzen zu können.
Deshalb setzt “Köln steht bei Rot“ auch bereits in Kindergärten und Schulen an. Die roten und grünen Ampelmännchen üben spielerisch mit den Kindern die Verkehrsregeln – und nicht selten geben die Kleinen das zu Hause an die Großen weiter.
Kinderwünsche
Ganz sicher denken die meisten Kinder nicht jeden Tag über die Sicherheit ihres Schulweges nach. Viele von ihnen haben – zum Glück! – die Gefahren noch nicht konkret kennengelernt. Doch, so wie wir alle, wollen sie gesund und munter wieder zu Hause ankommen. Auf ihren Wegen wollen sie auch albern können, ihre Entdeckungen machen dürfen und Spaß mit ihren Freunden haben. Sicherlich wünschen sie sich, dass wir ihnen dabei helfen.
Doch die Schulweg-Detektive der Gemeinschaftsgrundschule Von-Bodelschwinghstraße fassen ihr Projekt am Ende auch mit dem Satz „Sicherheit im Straßenverkehr ist uns wichtig!“ zusammen. Diesem Wunsch sollten wir uns anschließen und alles dafür tun, dass dieses wichtige Anliegen erfolgreich erfüllt wird – jeder in seinem Alltag mit seinen Möglichkeiten.
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