Janus‘ letzte Fahrt

Janus‘ letzte Fahrt oder eine Stadtbahn wird entsorgt

Im Dezember 2019 fand Janus‘ letzte Fahrt statt. Sein ursprünglicher Name war K-VB 6406 und gleichzeitig die Bezeichnung für einen sechsachsigen Werkstattwagen der KVB. Von den Mitarbeitern wurde er liebevoll Janus genannt. Sicherlich verhielt sich das Fahrzeug nicht wie der gleichnamige Gott oder wie der alte wunderbare Citröen DS, kurz „La Déesse”, die Göttin, wie es im Französischen heißt.

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Citroen DS.

Aber der Reihe nach. Janus, einer der ältesten römischen Götter, war der Gott des Anfangs und des Endes. Wo er herkommt, wissen wir nicht genau. Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass er der Sohn Sarturnus‘ und Entorias war. Geherrscht hat er wahrscheinlich als König über Latium, einer Gegend um Rom. Janus war doppelgesichtig. Er konnte somit nach vorn und nach hinten sehen. Janus verkörperte die vielen Dingen innewohnende Dualität wie Vergangenheit und Zukunft, Anfang und Ende, Leben und Tod usw. Man spricht auch vom Januskopf der Technik, wenn etwas Neues sowohl gute, dem Fortschritt innewohnende Merkmale hat, als auch negative, teils abgründige. KVB-Janus hatte Eltern.

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Janus Münze.

Im Gegensatz zur römischen Mythologie gibt es keine Zweifel über seine Herkunft. Aus der Verschmelzung zweier alter achtachsiger Straßenbahnen mit den internen Bezeichnungen K-VB 3858 und K-VB 3880 erblickte er am 5. August 2000 das Licht der Welt. Seine Eltern waren jahrzehntelang im Liniennetz der KVB unterwegs, um die Fahrgäste nach Frechen (Linie 2) oder zum Sülzgürtel (Linie 13) zu fahren. Seine Eltern waren sogenannte Einrichtungsfahrzeuge, also nur mit einem Fahrerstand, die, um die Fahrtrichtung ändern zu können, eine Wendeschleife durchfuhren. Die beiden Einrichtungsfahrzeuge teilten sich also in der Mitte und die Hälften mit den Fahrerständen verschmolzen miteinander an ihren alten Schnittstellen. Janus entstand. Er konnte, da er zwei Fahrerstände hatte, immerzu in beide Richtungen fahren. Vorwärts wie rückwärts, nach vorne blickend in die Zukunft, aber auch nach hinten, die Vergangenheit nicht aus den Augen verlierend.

K-VB 6406 besaß kein Königreich, aber er thronte auf den Gleisen des rechtsrheinischen Betriebshofes Merheim.

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Auf dem Betriebshof Merheim.

Obwohl eine Gottheit, verbrachte Janus seine Zeit mit profanen irdischen Dingen. Oder anders formuliert: Was macht ein Werkstattwagen den ganzen Tag? Janus war mit sogenannten Hebewerkzeugen bestückt, mit denen entgleiste Straßenbahnen wieder in die Spur gebracht, sprich eingegleist werden konnten. Des Weiteren war er sehr hilfreich darin, Bahnen, die schwere Unfallschäden erlitten hatten, wieder aufzurichten bzw. zu bergen. Zusätzlich konnten dank seiner Hilfe Störungen und Probleme an den Bahnen im Liniennetz beseitigt werden. Eine aufwändige Fahrt oder ein Rangieren defekter Fahrzeuge in die Hauptwerkstatt in Weidenpesch war somit nicht mehr erforderlich. Er war eben ein „gelber Engel“ auf Schienen. An Bord waren daher immer mehrere Werkstattmitarbeiter. Aber auch Engel müssen früh aufstehen. Morgens, gegen 3.30 Uhr, wenn die ersten Bahnen den Betriebshof Merheim verließen, war er wach und stand bereit, um kleinere Defekte bei den ausfahrenden Bahnen zu beheben und Weichenstörungen auf dem Betriebshof zu beseitigen. Denn die Fahrgäste erwarten zu Recht, dass ihre Bahn pünktlich kommt. Wir wissen nicht, wie Janus‘ Leben endete. Götter sind bekanntlich unsterblich. Das Ende von K-VB 6406 ist jedoch sehr irdisch. Er hatte das Ende seines Lebenszyklusses erreicht. Die Kosten der Instandhaltung und Reparaturen stiegen permanent an. Kurz, er war in die Jahre gekommen und eine Sanierung lohnte sich betriebswirtschaftlich nicht mehr. Somit bekam er im März 2018 sein Gnadenbrot auf dem Betriebshof Merheim. Da stand er nun bei Wind und Wetter auf einem Abstellgleis. Rost setzte an und die noch voll funktionsfähigen Bauteile wurden ausgebaut und in anderen Bahnen wieder eingebaut, um deren Funktionsfähigkeit zu erhalten. Schließlich wurde das Abstellgleis für andere Zwecke benötigt.

Auf den letzten Metern.

Mitte Dezember 2019 war es dann soweit. Angekuppelt an eine andere Bahn wurde er in die Hauptwerkstatt Weidenpesch überführt, wo bereits der Tieflader auf ihn wartete. Dieser nahm ihn tags darauf huckepack und überführte ihn in ein Recycling-Unternehmen. Dort wurde er komplett in seine Bestandteile wie Altmetalle, Kunststoffe, Holz usw. zerlegt und verwertet.

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Der Neue im Team.

Sofort stellt sich die Frage eines Nachfolgers, denn nach wie vor kann eine Bahn entgleisen oder es gibt technische Störungen.
„Tünnes 10“ heißt der Neue. Sein bürgerlicher Name, die Insider erahnen es bereits, weist darauf hin, dass es sich nicht um eine (ehemalige) Straßenbahn, sondern um einen schweren Lastkraftwagen (LKW) handelt. „Tünnes 10“ verfügt über die gleichen Funktionalitäten wie Eingleiswerkzeug und Bergefähigkeit. Und für einen LKW ungewöhnlich, er kann sowohl auf der Straße als auch auf Schienen fahren. „Aufgleisfähig“ wird diese Eigenschaft genannt. Sein Olymp ist der Betriebshof West, dort ist er stationiert. Duldete Janus noch keine Götter neben sich, so wird „Tünnes 10“ in absehbarer Zeit einen Bruder bekommen, sodass die KVB dann mit zwei Werkstatt-LKW im großen Stadtbahnnetz unterwegs ist.

Bildnachweise: Rhein Zeitung – Archiv – Pallas der Passionen – 60 Jahre Citroen DS (23.2.2015); FAZ Archiv – Janusgesicht der Staatsschulden (5. Juni 2010); www.stadtbahnkoeln.de; KVB; Frau Simsek (KVB).

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8 Kommentare

  • Uwe, der Schwellenleger

    Hallo,
    ein sehr informativer Beitrag, in netter und gut zu lesender Form verfaßt.
    Herzlichen Dank dafür.

  • Fassbender

    Hallo mein nammeist Frau Fassbender möchte malmit teilen das die Bahn noch lauter ist wie foher wier wohnen an der halte Stelle frechen das geht garnicht mehr mann kann nicht mehr schlafen oder mein mann kommt aus der nachtschiecht katastrofe hier

  • B-Wagen_fan

    Echt schade um den alten Werkstattwagen. Aber warum ersetzt man den durch einen LKW? Mit nem Diesel-Lkw im Innenstadttunnel liegengebliebene Bahnen bergen ist vielleicht keine so gute Idee wegen den Abgasen. Auch kann der LKW nicht einfach Rückwärts fahren (hat ja nur ein Führerhaus). Ein Unimog wäre vielleicht auch das bessere Fahrzeug für sowas. Die gibt es sogar mit Kupplungen und allem zum rangieren.

    • Mit dem LKW sind wir flexibler und kommen leichter an unsere Einsatzorte, da wir neben der Schiene auch die Straße nutzen können. Die Tunnel sind ausreichend belüftet, so dass es nicht zu Problemen bei einer Störung kommt. Und damit haben wir noch einen Vorteil. Wenn es bei einer Störung zu Probleme mit der Oberleitung und der Stromversorgung kommt, können wir mit dem LKW trotzdem den Einsatzort erreichen.
      Gruß
      Markus

      • Bus-Joe

        Diesel Lkw im Tunnel sind kein Problem, aber Dieselbusse auf der Straße schon… Diese Logik muss man erstmal verstehen. Warum ist das jetzt kein Elektro-Lkw? Der wäre wie die Elektrobusse auch emmisionsfrei und könnte ohne Oberleitung fahren.

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