Mit den Händen lesen, wo es langgeht

Handlaufbeschriftungen für Blinde und Sehbehinderte

Sechs Punkte. Drei in der Höhe und zwei in der Breite. Mehr braucht es nicht, um einem blinden oder stark sehbehinderten Menschen die Teilhabe an der Welt der Lesenden zu ermöglichen oder auch die Orientierung in einer unterirdischen Haltestelle. Unterschiedlich kombiniert, ergeben sich 64 Möglichkeiten, um Buchstaben, Zahlen und Zeichen darzustellen.

Klaus_Koester_PC.jpg

Klaus Köster erarbeitete jedes der beinahe 1000 Schilder und übersetzte sie in Brailleschrift.

Klaus Köster (32), der bei der KVB im Fachbereich „Nahverkehrsmanagement“ arbeitet, brachte sich die Blindenschrift – 1825 von dem 16-jährige Louis Braille erfunden – selbst bei. „Es gehört nicht viel dazu, außer Konzentration“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Seit 2016 leitet er das Projekt „Handlauf-Beschriftungen“. Diese sollen Blinden und Sehbehinderten eine Orientierungshilfe bieten. Zwei Jahre lang entwickelte Köster in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln und den Behindertenverbänden ein Beschriftungskonzept, das zunächst rund ein Jahr lang an der Haltestelle Heumarkt der Nord-Süd Stadtbahn erprobt wurde. Köster: „Diese „unterirdische Kathedrale“ ist ein komplexes Bauwerk mit mehreren Ebenen, Zugängen und vielen Treppen und Fahrtreppen. Da ist es besonders schwierig, sich zu zurechtzufinden.“

Die Testphase verlief erfolgreich. Im März 2019 wurde die rund 200.000 Euro teure Maßnahme zur Förderung beim Nahverkehr Rheinland (NVR) angemeldet, der 90 Prozent der Kosten übernimmt. Die restlichen 20.000 Euro teilen sich Stadt und KVB.

Jetzt wurde das Vorhaben auch an den restlichen 41 unterirdischen Haltestellen im KVB-Netz umgesetzt: Insgesamt 992 Schilder mit 19.464 Zeichen wurden sukzessive von Klaus Köster in Brailleschrift übersetzt. Jedes von ihnen ist ein Unikat. 1.360 Stunden hat die Firma „Gravurtechnik Neuhold“ gebraucht, um die sieben bis 120 Zentimeter langen Schilder an ihrer Fräsmaschine in Tirol herzustellen. Die Neuhold-Mitarbeiter Walter Jaklin und Andreas Auer brachten sie in rund 120 Arbeitsstunden mit einem Spezialkleber an 148 Treppen an.

Beschriftungsplan: Jedes Schild ist ein Unikat und muss an der richtigen Stelle angebacht werden. Im Bild (von links): Walter Jaklin, Klaus Köster und Andreas Auer.

Die Hinweise befinden sich in Gehrichtung jeweils am Anfang und am Ende des rechten Handlaufs einer Treppe und sind leicht auffindbar. Die Schilder bestehen aus gefrästem Aluminium und die Beschriftung ist in Profil- und Brailleschrift ausgeführt. Zusätzlich sind die Schilder schwarz eloxiert und die Profilschrift ist in einem starken Kontrast zur schwarzen Grundlackierung metallfarbig abgesetzt.

Handlaufbeschriftung-Severinstraße-225x300.jpg

Beschriftung an der Haltestelle Severinstraße

„Die kontrastreiche Ausführung von Handlaufschildern ist in Deutschland bisher noch nicht verbreitet. Da sind wir Vorreiter“, weiß Klaus Köster. „KVB und Stadt Köln haben sich für diese Variante entschieden, weil die Schrift so nicht nur ertastet, sondern auch gesehen werden kann. Für sehbehinderte Menschen wird der Nutzen der Beschilderung hierdurch noch erhöht.“

Die Schilder geben konkrete Orientierungsinformationen: Am Anfang einer Treppe zum Beispiel, die hinab zum Bahnsteig der Linie 5 führt, steht „Linie 5 Butzweiler“. Am Treppenende steht „Linie 5 Butzweiler rechts“. Das bedeutet, die Treppe führt zum Bahnsteig der Linie 5 und die Bahn Richtung „Sparkasse Am Butzweilerhof“ fährt auf der rechten Seite der Treppe ab. Die meisten Schilder wurden in den Stationen „Neusser Straße/ Gürtel (56 ), Appellhofplatz (52) und Neumarkt (52) angebracht.

Klaus Köster: „Die Handlaufbeschriftung ist ein weiterer Schritt zur Barrierefreiheit und wir hoffen, dass wir die Situation für blinde und sehbehinderte Menschen in Köln mit dieser Maßnahme nachhaltig verbessern.“

Die vorbereiteten Schilder werden mit Kabelbindern befestigt, bis der Spezialkleber ausgehärtet ist.

Sie möchten noch weitere Artikel lesen?

Verantwortung für sich und andere übernehmen, Unfälle vermeiden
Wieso greift die KVB zur Einhaltung der Maskenpflicht nicht stärker durch?
Verkehrswende braucht Fachleute.
Von der Uni in die Praxis: Traineeprogramm für junge Ingenieure.

5 Kommentare

  • stefan bieseke

    guten morgen, das ist eine tolle sache. danke schön.

    wann werden die haltestellen z.b. eifelstr. behindertengercht umgebaut?

    trotzdem schönen tag stefan bieseke (bieseke@aol.com)

    • Guten Morgen Stefan,
      grundsätzlich entscheidet der Rat, hier der Verkehrsausschuss der Stadt Köln, im Rahmen einer Prioritätenliste über den weiteren Ausbau der Barrierefreiheit von Haltestellen. Die Stadt Köln, die KVB und die Behinderten- und Seniorenverbände haben diese Liste im Vorhinein gemeinsam erarbeitet.
      Sie orientiert sich an Fahrgastzahlen, daran, ob es umliegend Einrichtungen mit erhöhtem Bedarf gibt und daran, ob es in der Nähe bereits barrierefrei ausgebaute Haltestellen gibt bzw. andere barrierefreie Fahrbeziehungen existieren. Wie  an dem weit fortgeschrittenen barrierefreien Ausbau von Haltestellen im Kölner Stadtbahnnetz (89 % der Haltestellen sind barrierefrei ausgebaut) zu erkennen ist, haben sowohl Stadt Köln als auch wir ein großes Interesse an der zügigen Umsetzung des barrierefreien Ausbaus. Das kostet aber auch Zeit und nicht zuletzt Geld.
      Die Prioritätenliste findest Du hier: https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=549718&type=do&
      VG Carola

  • Wolfgang Köhler

    Ich fahre E-Rolli was wird dafür getan. um ungehindert mit derBahn fahren zu können. Ab 6cm Höhenunterschied bleibe ich stecken. Warum gibt es keine Rampen wie in den Bussen. Es gibt ja keine Buslinie über den Rhein.

    • Hallo Wolfgang,
      viele unserer Haltestellen sind barrierefrei (89 % sind barrierefrei), aber leider noch nicht alle. Hier entscheidet der Rat der Stadt Köln (der Verkehrsausschuss), im Rahmen einer Prioritätenliste über den weiteren Ausbau der Barrierefreiheit von Haltestellen. Wir haben gemeinsam mit der Stadt Köln und den Behinderten- und Seniorenverbände diese Liste im Vorhinein erarbeitet.
      Sie orientiert sich an Fahrgastzahlen, daran, ob es umliegend Einrichtungen mit erhöhtem Bedarf gibt und daran, ob es in der Nähe bereits barrierefrei ausgebaute Haltestellen gibt bzw. andere barrierefreie Fahrbeziehungen existieren. Die Prioritätenliste findest Du hier: https://ratsinformation.stadt-koeln.de/getfile.asp?id=549718&type=do& An einem zügigen Ausbau sind wir aber alle interessiert. Hier kannst Du bis dahin nachsehen, wie Du am besten barrierefrei mit uns unterwegs bist: https://www.kvb.koeln/service/barrierefreiheit.html#ohnetreppen Viele Grüße, Kristina

      • Rüdiger Krause

        Viele Haltestellen sind barrierearm. Barrierefreiheit ist eine Utopie und wird nie erreicht werden können. Auch die Busse mit Rampen sind strenggenommen nicht barrierefrei, denn die Definition von Barrierefreiheit lautet:

        „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“

        Um die Rampe zu nutzen, sind Rollstulfahrer aber auf fremde Hilfe angewiesen, nämlich eine Person, die die Rampe umklappt.

        Aber zugegeben es hat sich in den letzten dreißig Jahren eine Menge getan, um sowohl bewegungseingeschränkten als auch hör- und sehbeeinträchtigten Menschen das Leben einfacher zu machen.

        Gesetzlich ist geregelt, dass bis Ende des kommenden Jahres der ÖPNV barrierefrei sein muss. das werden wir in Köln leider nicht schaffen. Einer der Gründe liegt auch in der grandiosen Idee, zwei Systeme (Hoch- und Niederflurbahnen) parallel zu betreiben. Auch nach mehr als 25 Jahren halte ich das noch immer für einen großen Fehler. So verbaut man sich ohne Not Flexibilität, braucht mehr Fahrzeugreserven und hat Probleme auf Streckenabschnitten, auf denen beide Systeme parallel verkehren, wie auf dem Gürtel.

        Diesen Zustand hat man nun durch die Bestellung von 64 neuen Niederflurbahnen nun für die kommenden 30 Jahre zementiert. Dabei sind Hochflurfahrzeuge deutlich komfortabler.

        Bonn hat übrigens soeben eine Ausschreibung für bis zu 32 Züge gestartet und setzt dabei auf Qualität, Langlebigkeit und Fahrgastkomfort:

        – Drei freidrehende Rahmendrehgestelle mit Luftfederung in der Sekundärstufe sind vorzusehen. Gummigefederte Radreifen: Durchmesser im Neuzustand >=740 mm, Mindest-Verschleißvorrat 80 mm bezogen auf den Durchmesser. Spurkranzschmieranlage

        – Wagenkasten und Drehgestelle mindestens aus korrosionsträgem Stahl, Dach „Edelstahl rostfrei“

        – Das Druckluftsystem muss korrosionsfrei und robust ausgeführt werden

        – Klimatisierung für Fahrer- und Fahrgastraum

        Luftfederung und große gummigefederte Radreifen sorgen für einen besseren Fahrkomfort als bei Niederflurfahrzeugen. Korrosionsträger Stahl und Edelstahl sind langlebiger als geklebte Aluminiumdächer wie bdei den Köln Bombardierfahrzeugen, durch die es bei Regen gerne mal durchtropft. Ein Druckluftsystem läuft oftmals störungsärmer als die ganze Elektronik. Wie oft kommen bei den Bombardierfahrzeugen Türstörungen vor. Zumindest gefühlt deutlich häufiger als bei den 27 bis 40 Jahre alten Stadtbahnwagen B.

        Übrigens rechnet Bonn mit Kosten von gut 130,5 Millionen Euro für die 32 Fahrzeuge, Macht einen Einzelpreis von über 4 Millionen Euro. Die von der KVB nun bestellten Fahrzeuge kosten dagegen nur rund 2,8 Millionen Euro pro Stück (bezogen auf einen halben Langzug), sind also 30 Prozent günstiger. Auf Kosten der Qualität und des Komforts? Mal sehen, was uns Bombardier diesmal liefert. Ok, Alstom hat zwar den Auftrag bekommen, wird aber gerade von Bombardier übernommen. Bis zur Auslieferung ist es also doch wieder einmal Bombardier.

        Wenn man sich die Ausschreibung der SWB so anschaut, scheint man dort nicht überzeugt von diesem Hersteller zu sein.

Schreibe einen Kommentar

Mit der Freigabe Ihres Kommentares von Seiten der KVB wird der von Ihnen angegebene Name/das Pseudonym zusammen mit dem Kommentar veröffentlicht. Alle Informationen zu den geltenden Datenschutzbedingungen finden Sie hier: www.kvb.koeln/datenschutz (Stichwort: KVB-Blog: Kommentieren eines Blog-Beitrags)*