Köln steht bei Rot! wirkt seit zehn Jahren
Kürzlich feierte die Präventionskampagne „Köln steht bei Rot!“ ihr zehnjähriges Jubiläum.
„Feiern“ ist hier wörtlich zu nehmen, denn jeder vermiedene Unfall ist ein Grund zur Freude. Die drei Partner – Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), Stadt Köln und Polizei Köln – engagieren sich seit zehn Jahren gemeinsam in der Kampagne, unterstützt von der Verkehrswacht Köln.
Die Auftaktaktion der Kampagne fand am 24. November 2014 vor dem Stadthaus in Deutz statt.
In letzter Zeit hört man wieder Stimmen wie: „Ich sehe so viele Menschen, die bei Rot über die Straße gehen oder fahren. Die Kampagne funktioniert doch gar nicht.“ Doch genau hier liegt ein Missverständnis. Es wird immer Menschen geben, die sich über Regeln hinwegsetzen – das gilt für alle Lebensbereiche. Aber der Erfolg einer Präventionskampagne zeigt sich nicht daran, dass es keine Regelverstöße mehr gibt, sondern daran, wie viele Menschen wir positiv erreichen und zum Mitmachen bewegen können. Und das ist uns gelungen.
Wie alles begannIn der Präventionsarbeit hat die genaue Kenntnis über die Ursachen des Fehlverhaltens und deren Folgen eine große Bedeutung. Die Unfallanalyse, die in Köln unter anderem durch eine Unfallkommission von Polizei, Stadt und Verkehrsunternehmen sowie durch das Unfallteam der Polizei NRW geleistet wird, bringt dabei immer wieder ähnliche Ursachen das Rotlicht zu missachten ans Tageslicht.
Einige der häufigsten Ursachen sind: Fußgänger und Radfahrer missachten rot zeigende Signalanlagen, um ihren Weg ohne Unterbrechung fortsetzen zu können, Fußgänger missachten das Rotlicht, um „ihre“ Bahn oder „ihren“ Bus noch zu erreichen, Verkehrsteilnehmer unterschätzen – insbesondere im persönlichen Wohnumfeld – die Gefahren an Kreuzungen und Überwegen, Kraftfahrer führen verbotene „U-Turns“ durch, weil ihnen die Ortskenntnis und das Einschätzungsvermögen über die Reaktionszeiten der Straßenbahnen fehlt. Das Rotlicht wird zudem nicht beachtet, weil Verkehrsteilnehmer mental abwesend sind, Musik hören oder ihr Mobiltelefon bedienen.
Unfallanalyse ist aufwendig. Die meist baulichen Präventionsmaßnahmen basieren auf rationalen Überlegungen. Insbesondere die Zuwegungen an Haltestellen und Überwegen über Schienenanlagen sind inzwischen hochgerüstet. In Köln finden sich Lichtsignalanlagen, Piktogramme, Drängelgitter und Z-Überwege, Mauerversätze, Schranken und großformatige Andreaskreuze. Sicherlich verfehlen diese Einrichtungen ihre Wirkungen nicht und vermeiden eine Menge, statistisch nicht erfassbare, Unfälle.
Die bauliche Ausstattung von Überwegen allein reicht nicht
Menschliches Fehlverhalten kann mit Technik und Vernunft aber alleine nicht ausreichend vermieden werden. Die oben genannten Ursachen folgen immer auch sehr persönlichen und emotional geprägten Interessen.
Der Arbeitskreis „Sicherheit im Straßenverkehr“ der Stadt Köln, seit Jahren in der Präventionsarbeit aktiv, wollte den seit 2012 stetig ansteigenden Trend nicht weiter zur Kenntnis nehmen und ermunterte seine Mitglieder (bestehend aus Vertretern der Stadt Köln, Polizei, KVB, Verkehrswacht und Seniorenvertretung) dazu, das Thema „Rotlichtvergehen“ ganz neu zu denken, denn der belehrend erhobene Zeigefinger hatte sich bisher nicht bewährt. Die Unfallzahlen waren zu hoch und es kam in mehreren Jahren zu einem halben Dutzend oder gar einer zweistelligen Zahl tödlich Verunglückter.
Die Idee ins Konzept und auf die StraßeDie „Ampelmenschen“ sind das Herzstück von „Köln steht bei Rot!“.
Sie sind nicht nur einprägsame Symbole, sondern vermitteln durch pantomimisches Spiel auf eine sympathische und anschauliche Weise, wie man sich richtig an einer Ampel verhält – und was passiert, wenn man es nicht tut.
Durch diese spielerische Herangehensweise wird das Thema greifbar, insbesondere für Kinder und Jugendliche.
Doch die Kampagne geht darüber hinaus. Mit Unterstützung von Mitarbeitende der KVB, der Stadt Köln und der Polizei fanden an hoch frequentierten Haltestellen Präventionsgespräche statt. Verstöße wurden nicht nur beobachtet, sondern auch direkt angesprochen – im Dialog, aber bei Bedarf auch mit Sanktionen.
Als Alternative hierzu wurde überlegt, ob abschreckende Darstellungen – etwa das Auftragen von Schablonen, die Getötete an realen Unfallorten zeigen würden – eine geeignete aufrüttelnde Wirkung entfalten können.
Doch der Weg, mit brachialer Abschreckung zu arbeiten, wurde abgelehnt – lieber spielerisch, mit einem gewissen Schmunzeln, zum Nachdenken anregen.
Um eine möglichst große, nachhaltige und flächendeckende Wirksamkeit in der Öffentlichkeit und den Medien zu erreichen wurden Aktionstage in ganz Köln durchgeführt. Es wurde in jedem Stadtbezirk eine Stadtbahnhaltestelle mit Unfallschwerpunkt ausgewählt. Die beteiligten Organisationen bildeten hierfür Teams, Kampagnenmaterialen – vor allem ein aufmerksamkeitsstarkes Plakat, ein kleiner Botschaftenflyer und bedruckte Baumwolltaschen – wurden entworfen.
Am 18. September 2014 entschieden Polizeipräsident Wolfgang Albers, der Beigeordnete der Stadt Köln Franz-Josef Höing und KVB-Vorstandsvorsitzender Jürgen Fenske: Wir gehen mit „Köln steht bei Rot“ an den Start“. In einer viermonatigen Testphase wurde Feinschliff vorgenommen. Zunächst kam es zur Ansprache der gesamten Bevölkerung, später dann zu zielgruppenspezifischen Verranstaltungen.
Schulen, Kindergärten, Kirchengemeinden und andere nahmen den Faden auf und entwickelten eigene Aktivitäten. Zwei Jahre später nahm „Köln steht bei Rot!“ auch Einzug in die Schulungen und Trainings der KVB. So hat sich die Kampagne seit Anbeginn immer wieder verändert.
Was alles stattfandMit insgesamt 29 Aktionstagen in allen Stadtbezirken wirkten KVB, Polizei und Stadt Köln in den vergangenen zehn Jahren präventiv auf die Unfallvermeidung hin. Hinzu kam die Teilnahme an 18 Großveranstaltungen, wie zum Weltkindertag und Mobilitätstagen.
Seit acht Jahren ist „Köln steht bei Rot!“ in den Mobilitätsschulungen an Kölner Schulen und in den Trainingseinheiten für Senioren fest verankert. Mit insgesamt 134 Schulungen erreichten die Kooperationspartner 187 Grundschulklassen. Zudem wurden insgesamt 90 Mobilitätsschulungen mit Schulklassen weiterführender Schulen durchgeführt. Hinzu kamen 22 Aktionstage mit Schulen, zum Beispiel zum Schuljahresbeginn.
In den vergangenen zehn Jahren wurden 420 Mobilitätstrainings und Schulungen mit älteren Menschen und 870 Trainings für Menschen mit Behinderung absolviert. Hierbei konnten insgesamt 4.800 Seniorinnen und Senioren sowie 4.100 Menschen mit Behinderung erreicht werden. Auch diese Aktivitäten beziehen Inhalte der Kampagne „Köln steht bei Rot!“ ein.
Dabei stachen Aktionen wie die Ausschreibung „Wer baut uns eine Ampel“ in Kitas, die Ausschreibung „Dreht Euren eigenen Film“ für Weiterführende Schulen und das Ampelmenschen-Töpfern heraus. Besondere Höhepunkte und Wertschätzung erfuhr die Kampagne „Köln steht bei Rot!“ 2015 im Rosenmontagszug, als zwei Karnevalsgesellschaften aus Höhenhaus und Sülz-Klettenberg die Thematik zu ihrem Thema machten. Nicht vergessen werden darf der Gewinn des bundesweiten Prima Ideen-Wettbewerbs im Jahr 2016. Auch die bundesweit erscheinende Zeitung für Kommunalwirtschaft (ZfK) zeichnete die Kampagne im Januar 2015 als „ZfK Kampagne des Monats“ aus.Eine Begegnung, die mich besonders bewegt hat
Einen Moment während eines Aktionstages werde ich nie vergessen. Es war früh am Morgen um 7.30 Uhr an der Haltestelle „Nußbaumerstraße“. Eine Mutter kam mit ihrer Tochter eilig an den Gleisübergang gelaufen. Zeitgleich fuhr die Linie 13 Richtung Slabystraße ein und die Ampel schaltete auf Rot. Statt stehen zu bleiben, schob die Mutter ihre Tochter leicht nach vorne – ein stilles Signal, die Schienen noch schnell zu überqueren.
Ich stellte mich dem Mädchen in den Weg und hielt es auf. Genau in diesem Moment kam aus der Gegenrichtung eine weitere Bahn. Wäre das Mädchen über die Schienen gelaufen, hätte es lebensgefährlich verletzt werden können.
Die Mutter reagierte wütend, beschimpfte mich lautstark und betonte, dass ihre Tochter jetzt zu spät zur Schule kommen würde. Nachdem die Ampel wieder auf Grün schaltete, ging das Mädchen sicher über den Übergang zur Haltestelle. Die Mutter aber ging schimpfend davon. Ich lief ihr nach und erklärte ihr ruhig, was gerade passiert war.
Ich hoffe, dass diese Situation sowohl der Mutter als auch der Tochter in Erinnerung bleibt – nicht als unangenehme Begegnung, sondern als Weckruf. Vielleicht wird die Tochter in Zukunft früher losgehen, um sicher und stressfrei zur Schule zu kommen.
Gerade im direkten Kontakt mit Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern kann präventiv gewirkt werden. So lässt sich zum Beispiel der Bremsweg einer Straßenbahn, die nicht abrupt wie ein Auto oder ein Bus zum Stehen kommt, durch praktische Anschauung zeigen. Regelmäßig sind in Schulungen und Trainings entsprechende Aha-Effekte zu sehen. Kinder werden etwa gebeten, den Bremsweg einer Bahn einzuschätzen – und sind dann überrascht, wenn die Bahn nach Einleitung des Bremsvorganges (mit Sicherheitsabstand) an ihnen vorbeirutscht.
Ähnliches zeigt sich in Trainings mit Senioren, die die Wendigkeit ihres Rollators unterschätzen oder auch überrascht sind, wie leise ein Bus oder eine Bahn über einen Überweg fahren können – während die Aufmerksamkeit gerade in die andere Richtung geht, wo das Fahrzeug in die Gegenrichtung bereits an der Haltestelle steht.
Deshalb werden die Inhalte von „Köln steht bei Rot!“ – neben weiteren Inhalten – weiterhin Bestandteil von Schulungen und Trainings bleiben.
Dank Menschen können Unfälle vermieden werden
Präventionsarbeit geling am besten durch persönliche Kontakte und Ansprachen. Hierdurch haben die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit, zu reagieren, ihre Gedanken zu äußern. Gelegentlich kommt es hierbei auch zu Verbesserungsvorschlägen zur Sicherung von Überwegen. Dabei dürfen auch die Medien nicht vergessen werden, die als „Sprachrohre“ Botschaften verbreiten und ihre Eindrücke schildern. Auch sie wirken durch die Aufbereitung ihrer Berichte präventiv.
Deshalb bedankt sich Kampagnenleiterin Sabine Käbbe bei allen, die „Köln steht bei Rot. Du gehörst dazu!“ (so die Langform des Kampagnennamens) über die letzten 10 Jahre hinweg begleitet und unterstützt haben. Dieses Engagement hat dazu beigetragen, die Sicherheit an Kölns Haltestellen und Umgebung zum Thema „Rotlicht“ zu erhöhen – mit Geduld, Einsatzbereitschaft und Herz.
„Ein besonderer Dank geht an:
Die Kolleginnen und Kollegen der KVB, die vor Ort Präsenz gezeigt und bei den Aktionstagen an hoch frequentierten Haltestellen unermüdlich mitgearbeitet haben.
Die Kooperationspartner der Polizei Köln und der Stadt Köln, mit denen wir diesen Weg über viele Jahre gemeinsam gegangen sind. Eure Unterstützung war unverzichtbar. Gemeinsam haben wir die Kampagne immer wieder mit frischen Ideen weiterentwickelt und auch in schwierigen Situationen zusammengehalten.
Das Team von „tausendschön“, Agentur für Event und Kostümgestaltung, die uns mit den Ampelmenschen unterstützt haben. Ihr habt die Kampagne zu einem echten Erlebnis gemacht! Euer Engagement war der kreative Funken, der das Herz der Kampagne zum Leuchten gebracht hat.
Stephan Anemüller, unser Mediensprecher, der unsere Kommunikation stets auf Kurs gehalten hat – ruhig, sachlich und immer mit Weitsicht.
Die Medienvertreter von Zeitungen, Radio und Fernsehen, die die Kampagne mit ihrer positiven Berichterstattung über die gesamte Laufzeit begleitet haben. Ohne euch hätten wir nie eine so große Reichweite an Menschen erreicht.“
Die Gestalter der Kampagne hoffen nun, dass die vielen Menschen in Vorbildfunktion – Eltern, Großeltern, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Lehrkräfte, Freunde und Nachbarn – die Botschaft lebendig halten, damit das Leben von möglichst vielen (meist jungen) Menschen nicht unnötig gefährdet wird. Es sind gerade die Kleinen, denen die Erfahrung noch fehlt, um Verkehrssituationen richtig einschätzen zu können.
Bewusstsein schaffen, für immer neue Generationen
Überwege – mit und ohne Ampelanlagen – bleiben zentrale Risikozonen für die Verkehrssicherheit. In den vergangenen zehn Jahren verunglückten jährlich zwischen 48 und 75 Menschen schwer bei Unfällen mit der Ursache „Rotlicht“ (Verstoß gegen rote Ampeln). Leider starben auch Menschen bei solchen Unfällen, zwischen einem und sechs Menschen pro Jahr – aber in den Jahren 2017 und 2020 gab es zum Glück auch keine Todesopfer.
Präventionsarbeit bleibt deshalb eine kontinuierliche Herausforderung. Problematische Verhaltensmuster im Verkehr halten sich hartnäckig, während jedes Jahr neue junge Verkehrsteilnehmer hinzukommen, die besonders von Präventionsarbeit profitieren.
Auch wenn die Aktionstage vorbei sind, bleibt das Thema „Ampeln und Rotlicht“ ein fester Bestandteil der KVB-Mobilitätsschulungen. Zudem wird das Thema insbesondere online stärker präsent sein, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Schulen, Kindergärten, Seniorennetzwerke etc. können gerne eigene Aktivitäten entwickeln. Hierbei steht die KVB mit Rat und Tat zur Seite.
Denn eines ist sicher: Präventionsarbeit endet nie. Sie muss stetig neu gedacht, angepasst und weitergeführt werden. Unser Ziel bleibt das gleiche: „Köln steht bei Rot. Du gehörst dazu! Danke an alle, die ein Teil davon waren – und an alle, die es weiterhin sein werden.
Alle Fotos wurden von Stephan Anemüller, Christoph Seelbach und Christian Seiter aufgenommen.
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