Auf den Punkt gebracht: Mobilstationen
In Köln haben Stadtverwaltung, Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und cambio CarSharing kürzlich die erste Mobilstation eröffnet. Weitere Partner sind die RheinEnergie, die die Ladeinfrastruktur für e-mobile Fahrzeuge errichtet und betreut, und Ampido, ein Dienstleister zur Reservierung von Parkplätzen. Hinter dem Bahnhof Deutz, am Charles-deGaulle-Platz, befindet sich die erste Mobilstation, am Bahnhof Mülheim und in der Stegerwaldsiedlung, nah der KölnMesse, finden sich die nächsten. Weitere sieben Stationen sind vor allem im Stadtbezirk Mülheim verortet. Und die Aufmerksamkeit der Verkehrsexperten und Kommunalpolitiker aus vielen Städten Deutschlands und Europas gilt genau ihnen.
Es vergeht kein Jahr, in dem nicht mindestens ein neues, wegweisendes, zukunftsbestimmendes Konzept präsentiert wird. Die Zukunft der Mobilität werde revolutioniert, heißt es dann. Große Würfe wie der Transrapid, die Lufttaxen und das autonome Fahren zählen hierzu. Nicht aus allen Konzepten wird Konkretes und manches wird erst einmal an die Realitäten angepasst. Das Konzept “Mobilstation“ lockt jedoch nicht mit dem “großen Schein“, sondern setzt an einfachen Realitäten und am Pragmatismus an.
Realität ist, dass die Menschen mobil sein wollen und für ihre Wege von A nach B geeignete Verkehrsmittel suchen. Zumindest in den Großstädten ab 500.000 Einwohnern gibt es den klassischen Autofahrer nicht mehr in der Mehrheit. Die Menschen suchen clever aus den verschiedenen Möglichkeiten aus. Weglänge, Gepäck, Zeitbudget und verfügbare Verkehrsmittel sind hierbei die entscheidenden Faktoren. Und dieser Trend kommt langsam auch in den kleinen Großstädten an. Das ist die aktuelle Chance des Umweltverbundes, Mobilität zu sichern. Und es ist die Chance des Klima-und Umweltschutzes, konkret durch viele Menschen umgesetzt zu werden.
Pragmatisch ist es, einfach zu zeigen, welche Möglichkeiten der Fortbewegung es gibt – und im Zeitalter der “Sharing Oeconomie“, also des Teilens, haben sich neben den Klassikern Bus, Bahn und Taxi verschiedene weitere Formen entwickelt: CarSharing, Leihradangebote, auch Lastenräder zum Ausleihen. An Mobilstationen werden diese Möglichkeiten an jeweils einem Punkt zusammengeführt. Diese Örtlichkeiten befinden sich dort, wo viele Menschen automatisch vorbei kommen, in der Schnittmenge von Wegen an Bahnhöfen, in Wirtschafts-Arealen oder in Wohnquartieren. Mobilstationen dürfen praktisch im Weg stehen, nur abseitig sollten sie nicht sein.
Sharing-Angebote am Wegrand: Dort wo die Menschen ohne Umwege vorbeikommen, greifen sie eher zu.
Europäische Dimension
Die Europäische Union fördert mit dem Programm “GrowSmarter“ den Aufbau von Mobilstationen. Insgesamt 25 Millionen Euro stehen aus Strukturfördermitteln für solche Mobilitätsprojekte, aber auch für weitere Strukturwandlungen in Richtung smarter Städte, zur Verfügung. Neben Köln nehmen Barcelona und Stockholm am Programm teil. Diese drei “Leuchttürme“ sollen in andere Städte Europas ausstrahlen, um in diesen Nachfolgeprojekte zu initiieren.
Regelmäßig treffen sich die Beteiligten, um sich über die Entwicklung der Projekte im Programm Grow Smarter auszutauschen. Eine Anforderung der EU-Kommission ist auch, aktiv zu kommunizieren. Das eingesetzte Geld der EU soll in der Fläche aller Mitgliedstaaten Wirkung entfalten. Köln kann sich glücklich schätzen, eine von drei Modellstädten zu sein.
Schaufenster der Mobilität
Sicher, die einzelnen Angebote vom Leihrad über CarSharing bis zum Taxi findet man auch so am Straßenrand, ohne dass eine Stele “Mobilstation“ davor steht. Warum dann das alles?
Zum einen hat das einen ganz praktischen Grund: Wenn ein Arbeitnehmer von RTL oder HDI, dessen Arbeitsplatz in den alten Messehallen in Deutz liegt, zum Termin aufbricht, dann will er nicht lange nach einem Fahrzeug suchen. Steht der nächste CarSharing-Wagen links oder rechts herum? Was tun, wenn die falsche Richtung eingeschlagen wurde und weitere Fußwege genommen werden müssen. Dann zerrinnt die Zeit und der Mitarbeiter fährt lieber gleich mit seinem eigenen Auto.
Mit der Mobilstation an zentraler Stelle zwischen diesen beiden Unternehmen, der im Bau befindlichen Messestadt und dem Deutzer Bahnhof hat er Mobilitätssicherheit. Hier stehen meist mehrere Fahrzeuge der verschiedenen Anbieter und er kann auf dem Weg dahin noch überlegen, ob die Weglänge zum Termin und das Wetter eher für ein Leihrad oder für ein CarSharing-Auto sprechen. Das eigene Auto kann gleich zu Hause bleiben, in Pullheim oder Bergisch Gladbach, denn mit den Regional- und S-Bahnen kommt der Arbeitnehmer schnell und komfortabel zu seinem Arbeitsplatz. Am Deutzer Bahnhof ausgestiegen läuft er auf dem kurzen Fußweg auch direkt an der Mobilstation vorbei. So ist er mobil und kann gleichzeitig über einen Großteil des Tages Klima- und Umweltschutz betreiben.
Menschen verzichten auf die Nutzung des eigenen Autos, wenn es Alternativen gibt.
Zum anderen sind Mobilstationen “Schaufenster der Mobilität“. Hier werden die Möglichkeiten des Umweltverbundes konzentriert angeboten, um die Alternativen zur Nutzung des eigenen Pkw zu verdeutlichen. Der Mensch ist ein “Gewohnheitstier“. Häufig dauern Verhaltensänderungen lange Zeit, manchmal Jahre. Wenn dann ständig gesehen wird, dass andere Verkehrsteilnehmer das eigene Auto stehen lassen und stattdessen ein geliehenes Fahrzeug nutzen, dann kann das zum Nachdenken und Ausprobieren führen.
Ob später einmal der besondere Titel “Mobilstation“ nicht mehr nötig sein wird, weil Stadt- und Verkehrsplanung selbstverständlich alle Mobilitätsalternativen räumlich konzentriert anbieten, mag dahingestellt bleiben.
Informationsdienste ergänzen den Parkplatz
Alleine Leihfahrzeuge auf einen Platz oder an den Straßenrand zu stellen, bringt es nicht. Das war am Anfang des CarSharings, mit Schlüsselkästen und vorangehender Registrierung, noch modern. Auch die ersten Leihradangebote funktionierten mit Kettenschloss und PIN-Nummer über Anruf oder SMS.
Heute haben (fast) alle ein Smartphone in der Tasche und die Möglichkeiten der Digitalisierung setzen die „Sharing Oeconomie“ auf ein ganz anderes Dienstleistungsniveau. Bereits auf dem Weg zur Mobilstation können die Nutzer über Apps das gewünschte Fahrzeug reservieren und buchen. Das Smartphone wird – genauso wie die Chipkarten – auch immer mehr zum Zugangsschlüssel, mit dem Leihautos und Leihräder ausgeliehen, geöffnet und zurückgegeben werden, einschließlich Mängelmeldung etc. Nutzer und Fahrzeug werden über digitale Techniken bei der Buchung miteinander „verbunden“ und individuelle Rabatte etc. können verbucht werden.
Die KVB lässt derzeit ihre App „KVB mobil“ erneuern und erweitern. Die zweite Auflage dieser Kunden-App wird Ende 2018 präsentiert. Hiermit werden dann verschiedene Verbesserungen im Vergleich zur ersten Ausgabe realisiert sein – insbesondere eine bessere Ortung und mehr integrierte Informations- und Nutzungsdienste werden den Kunden gefallen. Neben dem KVB-Rad werden dann auch andere Leihradangebote dargestellt und über die App nutzbar werden. Auch die kooperierenden CarSharing-Anbieter bringen ihre Angebote in diese Informationsbasis ein. Geplant ist, auch Taxidienste und Lastenrad-Angebote zu integrieren. Während die Verkehrsangebote mit Bus und Stadtbahn der KVB bereits das verkehrliche Rückgrat des Umweltverbundes in Köln sind, wird die App “KVB mobil“ zur angebotsübergreifenden digitalen Informations- und Buchungsplattform.
Das Ganze gilt nicht nur im Zusammenhang mit Mobilstationen – in der “KVB mobil“ finden sich alle Angebote am Straßenrand. Deshalb wird die KVB-App bereits zur Mobilstation. Auf ihren Kartendarstellungen werden alle um einen konkreten Punkt, etwa den Arbeitsplatz oder den Wohnstandort, verfügbaren Leihfahrzeuge dargestellt – ohne dass dabei eine Stele “Mobilstation“ aufgestellt oder eine Fläche abmarkiert wird.
Wer also abends eine Kulturveranstaltung besucht und anschließend nicht laufen oder auf den Bus warten will, braucht das Kino, Theater oder Kabarett nur in der KVB-App zu suchen und befindet sich dabei schon mitten in der virtuellen Mobilstation. Wichtig ist nur, dass die Anbieter der konkreten Mobilitätsmöglichkeiten ihre Leihfahrzeuge an die richtigen, nachfragestarken Örtlichkeiten stellen bzw. stellen lassen. Dort, wo der Parkraumdruck sehr groß ist, werden jedoch auch zukünftig klassische Mobilstationen eingerichtet werden müssen, damit die Leihangebote konzentriert nebeneinander zu finden sind.
Pragmatisch denken
Es empfiehlt sich, bei der Anlage von Mobilstationen pragmatisch zu denken. Die Verkehrsteilnehmer werden die Angebote einer solchen Station nicht nutzen, nur weil es eine Mobilstation ist. Sie wollen vorankommen und suchen dafür das jeweils geeignete Verkehrsmittel, das möglichst auf ihrem Weg angeboten wird. Weite Umwege wird kaum jemand in Kauf nehmen. Entscheidend ist deshalb die günstige Lage der jeweiligen Station.
Zu den Nutzern gehören auch Verkehrsteilnehmer, die sich nicht ständig vor Ort aufhalten – etwa Touristen und Geschäftsbesucher. Gerade sie wollen über lange Strecken häufig nicht mit dem eigenen Auto anreisen. Deshalb ist es wichtig, dass Mobilstationen einfach erkannt werden können. Der Nahverkehr Rheinland (NVR), der als Zweckverband vor allem Anlagen des öffentlichen Nahverkehrs finanziell fördert, hat deshalb eine Stele entwickelt, die für die gesamte Region das gleiche Aussehen hat und am fußläufigen Zugang der Stationen aufgestellt werden kann. So kann jeder das Angebot schnell erkennen.
Sinnvoll ist es auch, an den Stationen weitere Dienstleistungen anzubieten, etwa einen Briefkasten, eine Paketstation oder ähnliches. Somit werden die Örtlichkeiten noch mehr in den Mittelpunkt alltäglicher Wege gerückt und werben allein durch den Anblick für die Nutzung der Mobilitätsangebote. Befindet sich ein Kiosk in unmittelbarer Nachbarschaft, fördert das auch die soziale Kontrolle.
Neuer Umweltverbund
Der klassische Umweltverbund, so wie er seit den 1970er und 1980er Jahren propagiert wurde, hat sich mit neuen Angeboten und mit neuen Mobilitätsgewohnheiten weiterentwickelt. CarSharing und Leihradangebote sind hinzugekommen.
Insbesondere aber die Digitalisierung trägt mit ihren technischen Möglichkeiten in Form moderner Medien und automatisierter Buchungswege über Apps, QR-Codes und Chipkarten zu neuen, komfortablen Nutzungsmöglichkeiten bei. Der Umweltverbund wurde zeitgemäß an die Gewohnheiten der Menschen angepasst. Seine Konkurrenzkraft zum privaten Auto ist deutlich gestärkt.
Wenn hieraus nun auch dauerhaft neue Mobilitätsgewohnheiten bei weiten Teilen der Bevölkerung resultieren, dann hat der neue Umweltverbund (der manchmal auch Mobilitätsverbund genannt wird) seine verkehrs- und umweltpolitische Bedeutung erreicht.
Ob das alles irgendwann nicht mehr der Rede wert sein wird, weil diese Form der Mobilität weithin normal ist, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal gilt es, attraktive Angebote als Kontrapunkt zur alleinigen Fixierung auf das Auto zu schaffen. Auch wenn Mobilstationen nicht “der große Wurf“ in der Geschichte der Mobilität sein werden, für die Nutzer sind sie praktisch und dienen der Mobilität genauso wie dem Klima- und Umweltschutz.
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Meines Wissens nach bestand die Station doch schon vorher ?
Hallo Lady Gaga,
ja, Du hast recht! Es wurden dort schon CarSharing Fahrzeuge abgestellt und auch unsere Räder haben wir aufgrund der Nachfrage in diesem Bereich schon früher platziert.
Jetzt ist das Angebot mit dem KVB-Rad, unseren ersten E-Bikes und den Carsharing-Partner komplett und wir haben die Station als sogenannte Mobilstation eröffnet.
Gruß
Markus